Wenn Sie gerne in die Berge gehen oder früher gegangen sind, ist Ihnen die folgende Situation wahrscheinlich vertraut: Sie haben sich in aller Frühe auf den Weg gemacht. Sie sind lange schon unterwegs, die Füße schmerzen, der Rucksack drückt, vielleicht fragen Sie sich auch, warum Sie sich das antun. Dann kommen sie um eine Ecke und der Blick tut sich auf. Sie sehen Ihr Ziel – den Gipfel, der im Licht der Morgensonne liegt. In diesem Moment wissen Sie, warum Sie hier sind. Allein dieser kurze Blick reicht aus, um Ihnen klar zu machen, wofür sich die Mühe lohnt, weshalb es sich wirklich lohnt auch den Rest des Weges, trotz aller Mühe voller Erwartung weiterzugehen. Und zumindest die nächste halbe Stunde wirkt das Bild vom Gipfel im Sonnenlicht in Ihnen so weiter, dass Sie kaum noch merken, dass der Weg selbst immer noch genauso beschwerlich ist wie zuvor.
So eine Gipfelerfahrung dürfen drei der Jünger Jesu im Evangelium des kommenden 2. Fastensonntags auch machen. Alle Zweifel, die sie mit sich herumtragen, Zweifel an ihrer Nachfolge, Zweifel an dem, was Jesus wirklich ist, sind für einen Moment wie weggeblasen. Ein grandioser Tiefenblick auf Jesus von Nazareth wird ihnen geschenkt. Dieser Jesus ist der, auf den sie mit ihrem Volk sehnsüchtig warten. Vorbei ist in dieser Stunde ihr Zweifel an seinem Verkündigungsanspruch und seiner Art, auf die Menschen zuzugehen. Diese Erfahrung hilft ihnen, den Weg mit ihm weiterzugehen – auch gegen alle Anfeindungen und im Wissen um die Leidensankündigungen Jesu.
Solche Erfahrungen – wie die beschriebene bei einer Bergtour oder die Erfahrung der Jünger auf dem Berg Tabor – brauchen wir Menschen immer wieder. Sie helfen uns nämlich, unser Leben zu bewältigen.
Denn es gibt eben nicht nur Gipfelerfahrungen in unserem Leben. Es gibt nicht nur das Leichte, das Schöne, das Glück in unserem Leben, sondern auch das Beschwerliche, Bedrückende, das Unglück.
Es gibt Momente, in denen alles in uns und um uns dunkel scheint: wenn wir uns die Sorgen um unsere Kinder machen, wenn wir kein Licht, vielleicht sogar keine Zukunft in unserer Beziehung zu einem Menschen mehr sehen, wenn uns vielleicht einmal sogar alles sinnlos und leer erscheint, wenn uns plötzlich ein Schicksal trifft, eine Krankheit zu Boden reißt, ein Unfall, usw.
Was, wer hilft uns in solchen Situationen?
Vielleicht eben die Erinnerung an Erfahrungen, wie sie die Jünger im heutigen Evangelium machen durften: die Erinnerung an Momente des Glücks, an Sternstunden unseres Lebens. Wir brauchen das Wissen um jemand, der mit uns auf dem Weg ist. Wir bedürfen in solchen Momenten der Begleitung guter Freundinnen und Freunde, eines tiefen Gesprächs, einer echten Begegnung... damit wir über den Berg kommen, damit sich auf einmal Dunkel lichtet und wir wieder klar, klarer sehen. Wir brauchen VerKLÄRung.
Die Tage der Fastenzeit laden uns ein, nach solchen Verklärungen, nach solchen Glückserfahrungen bewusst Ausschau zu halten: Einmal "auf der Wolke sitzen" und die Welt "von oben", d.h. aus einer anderen Perspektive sehen. Nicht immer nur in den Niederungen des Alltags arbeiten, sondern einmal aus der Distanz heraus auf die Welt, auf das eigene Leben, auf die Menschen, mit denen wir leben und die uns anvertraut sind, zu schauen.
Diakon